AdB Pressemitteilung
Das Vertrauen in demokratische Institutionen und in politische Entscheidungsträger*innen – nicht nur in Deutschland – nimmt stetig ab. Viele Menschen fühlen sich unzureichend reprä-sentiert und sehen ihre Interessen nicht berücksichtigt. Diese Entwicklung schafft einen idealen Nährboden für Rechtsextremismus, der Unzufriedenheit gezielt ausnutzt, um das demokratische, vielfältige, gleichberechtigte Miteinander zu zerstören. Rechtsextremismus ist eine der größten Bedrohungen für die Demokratie, da er sie als Staats-, Gesellschafts- und Lebensform ablehnt und Menschen als ungleich bewertet. Rechtsextremist*innen be-ziehen sich auf ethnische Zuschreibungen. Sie unterdrücken Pluralität und setzen sich für ein autoritäres System ein. Hier kommt der politischen Bildung eine entscheidende Rolle zu: Sie befähigt Menschen, „ihre demokratischen Rechte und Pflichten in der Gesellschaft wahrzunehmen und zu verteidigen, den Wert von Vielfalt zu schätzen und im demokratischen Leben eine aktive Rolle zu übernehmen in der Absicht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern und zu bewahren.“ (Definition des Europarates) Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht politische Bildung umfassende Unterstützung.
Gesellschaftliche und politische Herausforderungen
Rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft sind nicht neu. Doch wirken die aktuellen multiplen Krisen wie ein Katalysator für antidemokratische Positionen und rechtsextreme Ideologien. Immer mehr Menschen begegnen der Demokratie, ihren Prinzipien und Instituti-onen sowie den politischen Vertreter*innen mit wachsender Skepsis bis hin zur Ablehnung. Diese Entwicklung geht einher mit der Abwertung, Ausgrenzung und Ablehnung von stigma-tisierten und diskriminierten Menschen. Die Ursachen für die wachsende Demokratieskepsis sind vielfältig und liegen in den großen Krisen unserer Zeit, die Unsicherheit und Zukunftsängste schüren. Rechtsextreme nutzen diese Ängste gezielt aus, indem sie Verschwörungserzählungen, Falschinformationen und Desinformationen verbreiten, besonders in sozialen Netzwerken. Diese Desinformation zielt darauf ab, die Demokratie zu destabilisieren und das Vertrauen in ihre Institutionen zu un-tergraben. Darüber hinaus wird diese Strategie gezielt von außen unterstützt, insbesondere durch Einflussnahmen von autoritären Akteuren und Regierungen, die aktiv Desinformation fördern, um demokratische Gesellschaften zu schwächen. Für das Zusammenleben in der offenen und pluralen Demokratie hat diese Entwicklung schwerwiegende Folgen. Diskurse verschieben sich, vermeintliche Gewissheiten erodieren, ausgrenzende und diskriminierende Äußerungen werden akzeptiert. Gewalt gegen Menschen, die als anders wahrgenommen werden, nimmt zu. Wenn rechtsextremistische Parteien die Mehrheit in den Parlamenten erringen, droht die Aushöhlung der Demokratie von innen. Dies lässt sich bereits in europäischen Ländern be-obachten. Die ersten Opfer von rechtsextremen Regierungen sind die freie Presse und die unabhängige Justiz. Die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen wird eingeschränkt oder verboten.
Stärken, Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten politischer Bildung
Politische Bildung und Demokratie sind aufs Engste miteinander verbunden. Der normative Kern politischer Bildung ist an Demokratie sowie an Grund- und Menschenrechten ausge-richtet. Eine zentrale Aufgabe politischer Bildung ist es, dem Rechtsextremismus entgegen-zuwirken. Konkret bedeutet das: Den Wert der Demokratie sichtbar machen: Politische Bildung verdeutlicht, welche Errun-genschaft es ist, in einer offenen, pluralen und rechtsstaatlichen Gesellschaft zu leben – besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Die reale Bedrohung sichtbar machen: Die Bedrohungen für Demokratie und gesellschaftli-chen Zusammenhalt durch rechtsextreme Kräfte werden in der politischen Bildung klar be-nannt. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der Anziehungskraft rechtsextremer Par-teien, ihrer Inhalte, Überzeugungen und Strategien. Historisch-politische Bildung stärken: Geschichtsverfälschung und revisionistische Erzählun-gen sind Teil antidemokratischer Strategien. Ein breit aufgestelltes Angebot historisch-poli-tischer Bildung ist unerlässlich, um diesen Erzählungen entgegenzuwirken. Dabei muss auch die Frage gestellt werden, wessen Geschichten erzählt werden und welche – etwa in einer Migrationsgesellschaft – kaum oder gar nicht. Kritische Medienkompetenz stärken: Politische Bildung ist immer auch kritische Medienbil-dung. Sie fördert den reflektierten und selbstbestimmten Umgang mit Medien sowie die Re-flexion der Quellen. Dazu gehört auch die Beschäftigung mit rechtsextremen Strategien im Netz und die Entwicklung von Gegenstrategien. Solidarität mit Betroffenen rechtsextremer Gewalt: Politische Bildung hat die Pflicht, sich mit den Betroffenen und Überlebenden rechtsextremer Gewalt solidarisch zu zeigen und Räume zu schaffen, in denen politische Bildung ohne Angst vor Übergriffen erfahrbar ist. Offenheit für alle Menschen: Politische Bildung muss für alle zugänglich sein, besonders auch für jene, die verunsichert sind oder sich gegenüber demokratischen Institutionen kritisch äußern. Es braucht offene Räume, Geduld und engagierte Akteur*innen, die vor Ort und in vielfältigen, auch ungewöhnlichen Kontexten aktiv werden. Emotionen in der politischen Bildung zulassen: In Angeboten politischer Bildung muss Platz sein für Unsicherheit, Zukunftssorgen und diffuse Ängste. Zugleich muss deutlich werden, dass die Vereinfachung durch populistische Rhetorik keine Lösung bringt. Der Umgang mit Komplexität und die Förderung von Ambiguitätstoleranz sollte Ziel der Angebote sein. Vernetzung und internationale Perspektiven: Politische Bildung verfügt über Unterstützungs-netzwerke mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Diese Vernetzung sollte weiter ausgebaut werden und über den nationalen Tellerrand hinausgehen. Rechtsextremismus ist ein internationales Phänomen. Selbstkritik und professionelle Weiterentwicklung: Politische Bildner*innen brauchen den selbstkritischen Blick auf sich, um eigene Leerstellen zu erkennen. Qualifizierungsangebote, in denen sich politische Bildner*innen Wissen über menschenfeindliche Haltungen und deren Auswirkungen aneignen können, sind unabdingbar.
Politische Bildung braucht Unterstützung
Politische Bildung spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Rechtsextremismus. Die im AdB organisierten Träger und Einrichtungen sind sich dieser Verantwortung bewusst. Doch sie können diese Herausforderung nur mit umfassender gesellschaftlicher und politischer Unterstützung bewältigen. Politisch Verantwortliche auf allen Ebenen müssen sich deutlich und öffentlich zu einer politischen Bildung bekennen, die auf Demokratie und Menschenrechten basiert. Politische Bildung braucht eine verlässliche, langfristige Förderung. Nur durch finanzielle Sicherheit und Planungssicherheit lassen sich notwendige Bildungsangebote kontinuierlich weiterentwickeln und umsetzen. Die politisch Verantwortlichen brauchen den Mut und den politischen Willen, Förderung flexibel und offen zu gestalten, um auch ungewöhnliche, unkonventionelle, alternative Methoden und Formate sicherzustellen. Politiker*innen sind in der Verantwortung, das Versprechen von Demokratie als Beteiligung ernst zu nehmen und Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen. Politische Bildung braucht die Unterstützung weiterer und neuer Akteur*innen, um Netz-werke zum Kampf gegen Rechtsextremismus zu stärken, auf- und auszubauen. Nur durch eine enge Kooperation können Synergien genutzt und kann ein wirkungsvoller Beitrag zur Stärkung der Demokratie geleistet werden.
Beschlossen von der Mitgliederversammlung des AdB am 28.11.2024
Pressekontakt
Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V., Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Dr. Friedrun Erben, Tel.: 030/400 401-11, E-Mail: erben@adb.de